Die Blume am Wegesrand

 

Das Leben ist wie ein Weg, der durch einen dichten Wald führt.

Enge Baumgruppen mit hohen Wipfeln werfen ihre kühlenden Schatten auf den Waldboden.

Farne und Moose überziehen mit ihrem Grün das dunkle Braun der weichen Erde.

 

Schritt für Schritt folgst du deinem Weg, hinweg über Wurzeln und sich schlängeln­de, enge, verwachsene Pfade.

Manchmal bleibst du stehen, musst dich entscheiden, in welche Richtung du nun weiter gehst.

Stehst an Gabelungen, von denen du nicht ahnen kannst, wohin sie dich führen werden.

 

Der Flügelschlag von Vögeln,

das Summen von Insekten

oder das Klopfen eines Spechtes

begleiten dich,

beleben die würzige Luft mit ihrem Klang.

Umfangen dich in deinem All-ein-Sein.

Erfüllen dich mit dem Gefühl von Geborgenheit in einer Gemeinschaft, oder aber mit dem Gefühl von Befangenheit oder Angst in deiner Einsamkeit -

Angst vor dem Befremdlichen, dem Ungewissen, dem Ausgeliefertsein.

 

Dein Schritt wird geprägt durch dein Empfinden.

Was in dir ist nimmt das, was außen ist, auf.

Im Guten oder im Schlechten.

In Vertrauen oder in Angst.

In Sicherheit oder in Unsicherheit.

 

Du kannst blind durch den Wald laufen, nur mit dem einen Gedanken:

dein Ziel zu erreichen.

Aber du kannst auch den Weg als dein Ziel sehen.

Jeden Schritt mit offenen Augen tun.

 

Nur auf diese Weise bemerkst du,

dass eine Blume am Wegesrand steht.

Die in ihrer Schönheit ihre Knospen entfaltet,

ihren Duft,

ihre Farbenpracht.

 

Du verharrst auf deinem Weg,

bleibst stehen,

voller Staunen und Bewunderung.

 

Es ist eine überraschende Kostbarkeit, der du begegnest,

völlig abgehoben vom dichten Wald und dennoch in seinem Schutz gewachsen,

stumm und scheinbar auf dich wartend,

einfach so,

am Rande deines Weges.

 

Es ist eine unerwartete Zartheit,

die dein Herz berührt,

deine Sinne.

Wenn du die Gnade jenes Momentes einfangen und bewusst erleben kannst, dann hat dir diese Blume am Wegesrand etwas gegeben, mit dem du auf deinem Weg nicht gerechnet hast.

Das ist der Sinn und Inhalt des Weges, den wir gehen.

 

Diese ungeahnten Augenblicke wahrnehmen zu können,

sie zu verinnerlichen.

Ihre ausgewogene Buntheit und Besonderheit in Dankbarkeit annehmen zu können.

 

Egal, wie schwer und lang unser Weg sein mag…

Es sind jene Blumen, die uns die Suche nach dem Ziel versüßen.

Die uns verdeutlichen, dass sie essentieller Teil des Zieles selbst sind.

 

Werden wir uns dessen gewahr,

sind wir auf dem richtigen Weg...